Selbstwert und Selbstvertrauen hängen miteinander zusammen und ich benutze die beiden Begriffe im Folgenden als Synonym.
Hast du das Gefühl, dass dein Selbstwertgefühl auf einer Skala von 1-10 bei einer 10 von 10 liegt? Oder hast du das Gefühl, dass es noch eine Lücke zu schließen gilt, um eine 10 zu erreichen? Was bedeutet es, bei einer 10 zu sein? Man könnte argumentieren, dass es nicht gesund sei, einen so hohen Selbstwert zu haben, man könnte es als egoistisch oder als Angeberei ansehen, mit dem, was man tut oder besitzt, um bei einer 10 zu landen. Darum geht es jedoch nicht, wenn wir von einem Selbstwert und einer 10 von 10 sprechen.
Wenn ich an mich selbst denke, habe ich in bestimmten Situationen geglaubt, dass ich weit von einer 10 entfernt bin, vielleicht bei einer 6 oder 7 oder je nach Kontext weit niedriger, in anderen Situationen lag der Wert deutlich höher. Manche Menschen fühlen sich vielleicht bei einer 10, wenn es um ihr erworbenes Know-how geht. Sie fühlen sich mit ihrem Wissen sicher und in anderen Situationen fühlen sie sich lediglich bei einer 4 oder niedriger. Es ist interessant, wie sich unsere Wahrnehmung je nach Situation und Kontext ändert. Ich kenne niemanden, der nicht mit seinem Selbstwert gehadert hat oder dessen Wert davon abhängt, was er tut, besitzt, erreicht… Unsere Gedanken und daraus resultierenden Gefühle tanzen stets um unseren Selbstwert und unser Selbstvertrauen herum.
Als ich begann das Thema Selbstwert zu reflektieren, stellte ich fest, dass sich unser Selbstwert gar nicht ändern kann. Wir sind wertvoll. Punkt. Jede Minute, jede Sekunde. Unsere Vorstellungen über uns und andere, unsere Ängste davor beurteilt zu werden und andere erlernte Konzepte, Überzeugungen oder kulturelle Prägungen trennen uns von dieser einen Wahrheit wertvoll zu sein, einfach weil wir sind. Letztendlich mangelt es uns nicht an Selbstwert, sondern an einem Bewusstsein für die Konzepte, an denen wir unbewusst festhalten und über die wir unseren Wert bemessen.
Ich möchte ein Beispiel nennen: Als mein Buch 2018 veröffentlicht wurde, erlebte ich neben der Aufregung rund um eine ganz neue Erfahrung auch einen Mangel an Selbstvertrauen. Man würde wahrscheinlich das Gegenteil erwarten. Als das Cover eine Woche vor der Veröffentlichung online zu sehen war, hatte ich das Gefühl, mich irgendwo weit weg verstecken zu müssen, um der neuen Sichtbarkeit zu entkommen. Ich fürchtete mich vor möglicher Kritik, ich hatte das Gefühl, es gäbe viel mehr zu dem Thema zu sagen als das, was ich geschrieben hatte (natürlich gibt es das). Ich hatte das Gefühl, es könnte als unvollständig angesehen werden. Ich hatte das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Ich konnte nicht mehr entscheiden, wem ich mein Manuskript zum Lesen gab. Mein Selbstvertrauen war in diesen Momenten von zweifelnden Gedanken und Ängsten über mich selbst und die Welt um mich herum getrübt. Ich musste über diesen Mangel an Selbstvertrauen hinauswachsen, der durch eine alte Energie der Angst ausgelöst wurde. Die obige Erfahrung war sehr wertvoll für meine persönliche Weiterentwicklung und mehr Gelassenheit.
Wir können nur wachsen, wenn uns etwas im Herzen trifft, wenn wir die Angst spüren, wenn wir uns zurückhalten, verbiegen, wenn wir hadern. Diese Zeiten sind wertvoll und eine Einladung, tiefer einzutauchen.
Später entschuldigte ich mich aufrichtig bei meinem Buch und bei mir selbst dafür, dass ich all die Mühe und Liebe, die ich in das Schreiben gesteckt hatte und die Wirkung, die es inzwischen auf viele Leser hatte und weiterhin hat, nicht zu schätzen wusste. Letzteres war meine Intention: einen Unterschied zu machen. Wenn wir uns vor anderen fürchten, wenn wir uns hinter Konzepten und unserem Gefühl des Mangels verstecken, konzentrieren wir uns auf unser egoistisches Ich und vergessen leicht, dass wir hier sind, um einen Beitrag zu leisten, egal was wir tun. Es geht dann nicht um uns.
Ich könnte noch viele weitere Beispiele nennen, bei denen ich das Gefühl hatte, mein Selbstwertgefühl sei gering und andere, bei denen ich es als hoch empfand. Kein einziges Beispiel ist wirklich wahr. Meine Gedanken nährten nur die zugrundeliegenden Überzeugungen, die ich nicht hinterfragt hatte. Mein Prozess geht weiter, ich bin noch nicht fertig. Der große Unterschied zu früher ist, dass ich eine andere Bewusstseinsebene erreicht habe und mich meinen blockierten Energie stelle, wenn sie sichtbar werden.
Es mangelt uns nicht an Selbstwert, es mangelt uns „nur“ an einer bewussten Reflexion unserer Ängste. Wir konstruieren alte Bilder und Konzeptideen, die wir loslassen können. Wir müssen bereit sein, sie anzuschauen und anzunehmen, um sie zu lösen und Raum für Neues zu schaffen. Was wir verlieren, ist eine Identität, die auf Mangel basiert. Diesen Mangel kompensieren wir auf unterschiedlichste Weise: Wir fühlen uns überlegen oder unterlegen, schlüpfen in erschöpfende Helferrollen ohne gefragt zu werden, wollen andere verändern, statt uns selbst. Wir arbeiten zu viel oder laufen einer Anerkennung für das, was wir tun, hinterher. Wir wollen von anderen gesehen werden, weil wir uns selbst nicht sehen. Wer sind wir, wenn es uns nicht an Selbstwert und Selbstvertrauen mangelt?
Wenn du das Gefühl hast, dass es an der Zeit ist, dich wertvoll zu fühlen, wirklich wertvoll, dann lass uns ein Gespräch führen und die Schichten abtragen, die sich als Mangel um deinen Selbstwert gehüllt haben. In deinem eigenen Tempo, mit Freude, Offenheit und der Bereitschaft zu fühlen, können wir deinen Selbstwert entdecken und heilen. Du bist wertvoll. Einfach weil…Du bist.